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Andreas Brandhorst

Splitter der Zeit

  • Autor:Andreas Brandhorst
  • Titel: Splitter der Zeit
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:FISCHER Tor
  • Datum:27 September 2023
  • Preis:18 EUR

 
»Splitter der Zeit« von Andreas Brandhorst


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(3)

 
 
Seit Jahrhunderten muss sich die Menschheit gegen die fremdartigen Honta verteidigen, ohne zu wissen, warum sie immer wieder angreifen. Im Jahr 3233 überfällt der Feind Harkonia, einen über 8000 Lichtjahre von der Erde entfernten Kolonialplaneten. Zu den wenigen Überlebenden zählt der siebenjährige Cameron, der durch den Angriff seine Mutter verliert. Adoptiert von einem Kommandanten der Vereinten Streitkräfte, tritt er eine Laufbahn beim Militär an. Entschlossen, sich an den Honta zu rächen, sammelt er im Kampf immer mehr Erkenntnisse über den verhassten Feind. Doch die Honta scheinen den Menschen stets einen Schritt voraus zu sein. Verfügen sie über eine Technologie, die die Menschheit nicht versteht? Um die Antwort zu ergründen, muss Cameron eine ungewöhnliche Mission antreten: eine Reise ans Ende der Zeit.

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So langsam wird mir Andreas Brandhorst doch unheimlich. Immer dann, wenn ich ein Buch von ihm zu Ende gelesen habe, scheint auch gleich wieder ein weiteres von ihm neu auf dem Markt zu sein. Das ist quasi wie bei einem Kettenraucher, der sich die neue Zigarette bereits an der fast abgerauchten anzündet und dann munter weiterqualmt. Irgendwie nimmt das alles kein Ende. Nur, im Gegensatz zum Rauchen, ist lesen und schreiben zumindest nicht gesundheitsschädlich. Sagt man, süchtig machen kann es aber auch.

Im Grunde genommen lese ich die Bücher des Autors ganz gerne, auch wenn ich mit einigen davon so meine Schwierigkeiten habe und hatte. Splitter der Zeit gehört leider dazu, denn so ganz überzeugen konnte es mich nicht. Das hat mehrere kleine und einen riesigen Grund. Aber der Reihe nach.

Das vorliegende Buch entpuppt sich für mich als eine Mischung aus Starship Troopers und Alien. Also, der Kampf menschlicher Soldaten gegen Außerirdische, die teilweise an die Bugs aus Starship Troopers erinnern. Da es sich bei einem dieser Bugs um eine eierlegende Königin handelt, ist auch die Assoziation zu Alien für mich nicht weit. Das liest sich erst einmal ganz gut und spannend. Dann baut Brandhorst noch eine schöne Besonderheit in die Geschichte ein. Nämlich die, dass die außerirdischen Honta eine „nicht-lineare Lebensform“ sind. Soll heißen, sie leben und existieren gleichzeitig in der Vergangenheit, der Zukunft und der Gegenwart. Das erinnert natürlich sofort an den Film Arrival, der nach einer Kurzgeschichte von Ted Chiang gedreht wurde.

Diese Besonderheit macht die Geschichte natürlich wesentlich spannender und komplizierter. Sie erklärt, warum die Honta den Menschen immer einen Schritt voraus sind, so, als wüssten sie bereits was die Menschen als nächstes unternehmen werden. Was sich in dem Film Arrival jedoch nahtlos in die ungemeine gute Geschichte einfügen lässt, gerät in diesem Buch, meines Erachtens nach, zur Katastrophe und ist für mich ein Riesenproblem.

Ab dem Zeitpunkt an dem Brandhorst den Honta Mror und den völlig verwirrten Menschen Jako in die Geschichte einfügt, kann er sich alles erlauben und alles schreiben. Hier gerät die Story völlig außer Kontrolle und ist nur noch bar jeglicher Logik. Es ist ja schon schwer zu begreifen, dass ein Lebewesen die Geschichte des Universums erzählt und sie dadurch, mit dem Akt des Erzählens, auch Wirklichkeit werden lässt. Aber was sich dann dadurch weiter ergibt, Orte mit anderen physikalischen Gesetzen, Fragmente von Welten und Möglichkeiten, von Räumen und Zeiten, Zeitsplittern und dadurch die Möglichkeit, durch Manipulation dieser Splitter die komplette Geschichte des Universums neu zu erzählen, schafft für den Autor natürlich eine willkommene Plattform dem Leser alles und nichts, drauf gepfiffen ob es logisch ist oder nicht, unterzujubeln - kann ja eh keiner mehr nachvollziehen.

Brandhorst muss hier auf nichts mehr Rücksicht nehmen, frei nach dem Pippi Langstrumpf Motto „Ich mach' mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt“, nutzt Brandhorst das auch ordentlich aus. Wer will (kann) es ihm widerlegen? Und das hat mir überhaupt nicht gefallen. Aber, vielleicht bin ich auch einfach nur zu blöd gewesen um das Ende nachvollziehen zu können.

Auch mit den Charakteren bin ich nur mäßig warm geworden, in der Regel hatte man auch keine Zeit sie näher kennen zu lernen, da sie reihenweise gestorben sind. Eigentlich gibt es nur der Protagonisten die den Hauptteil der Geschichte bestreiten. Da wäre einmal der Waisenjunge Cameron, der sich vom Teenager zum Admiral hocharbeitet, die Honta Mrarl, die irgendwie mit Botschafter Kosh auf der Raumstation Babylon 5 verwandt sein muss, denn in Sachen ominöse Andeutungen und orakelhaften Kommentaren steht sie ihm in nichts nach und die Schiffs-KI Hudson (Alien lässt grüßen), die eigentlich noch am sympathischsten und am coolsten ist. Interessanterweise ist das oftmals in vielen Büchern der Fall, dass eine KI in Sachen Beliebtheit ihre menschlichen Charaktere in den Schatten stellt.

Dann wäre da noch der Umstand, dass die Geschichte relativ distanziert erzählt wird. Brandhorst geht auf die einzelnen Charaktere nicht wirklich ein. Er erzählt nicht ihre Geschichte, sondern eher die Momente, in denen sie in der Handlung auftauchen. Das schafft für mich keine Nähe zu ihnen, sie bleiben mir eher fremd – mitfiebern ist etwas anderes. Mit der Zeit fragt man sich auch, warum die Honta, in diesem Fall Mrarls Bruder Mror, die Menschheit nicht einfach aus der Geschichte des Universums herauserzählt hat, so, als hätte es sie nie gegeben. Statt dessen erzählt er die Geschichte von einem großen Krieg zwischen Menschen und Honta, den diese zwar gewinnen, aber nur unter großen Verlusten – welche man sich ja eigentlich hätte sparen können. Auch die Liebesgeschichte zwischen Cameron und Kora wirkt aufgesetzt und tut eigentlich gar nicht wirklich etwas zur Sache, auch wenn man öfters nachlesen kann, dass Cameron das was er macht, aus Liebe zu Kora macht.

Wie gewohnt findet sich bei dem Autor am Ende der Geschichte ein Anhang, der diesmal ausgesprochen ausufernd gestaltet ist. Die Historische Übersicht und das Glossar sind durchaus interessant, wobei ich mich aber auch frage, warum es die Historische Übersicht überhaupt gibt. So wie es ausschaut, ist die Geschichte eine Einzelgeschichte, einen Nachfolger wird es wohl nicht geben (bei den Möglichkeiten die Cameron nun hat, wäre eine Fortsetzung irgendwie unsinnig). Von daher ist die Zeittafel zwar nett, aber für die eigentliche Geschichte mehr oder weniger uninteressant - wie für mich auch die Auflistung von Dienstgraden, Raumschifftypen und Waffensysteme der Menschen und der Honta.

Fazit
Das Buch fängt gut an und entwickelt sich zu einer spannenden Lektüre nachdem man lesen konnte, dass die Honta eine „nicht-lineare“ Lebensform mit unglaublichen Möglichkeiten sind (Kopfkino auf Hochtouren) und mutiert dann (für mich zu einem epischen Chaos voller Unlogik und Ungereimtheiten. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Anmerkung:
An diesem Punkt frage ich mich dann immer, ob ich so ein Buch überhaupt verreißen darf. Andreas Brandhorst investiert Zeit, Gedankenschmalz und viel Engagement in dieses Projekt und dann kommt so ein Willi wie ich daher (der noch nie ein Buch geschrieben hat) und qualifiziert es einfach so ab. Da ich aber sonst recht viel von den „Brandhorstschen“ Büchern halte und sie recht gerne lese, sei mir dies bitte gestattet (um umgekehrten Fall hätte ich ja auch keine Schwierigkeiten gehabt es ausufernd zu loben).
 


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