Was hälst Du denn von solchen Verlagen wie AAVAA?
Haben die nicht auch mal die Pflicht die Autoren vor sich selbst zu schützen?
Eine solche Pflicht hätten sie in meinen Augen schon. Ich bin nicht gerade begeistert von AAVAA. Sie haben ein Geschäftsmodell, das darin besteht, die Vor- und Nachproduktion (also Lektorat und Marketing) komplett zu eliminieren und die einzige Investition bei den Druckkosten zu belassen. Bis zu einem gewissen Grad finde ich es nicht schlecht, weil ich mich schon immer darüber geärgert hatte, dass die Verlagslandschaft extrem unflexibel ist (zB verglichen mit der Welt der Labels und Plattenfirmen). Somit ist es immer interessant, wenn jemand neue Modelle innerhalb des Buchbetreibs einführt und ausprobiert.
Meine persönliche Erfahrung mit AAVAA ist nur, dass sie zwar ein exotisches Modell haben, aber dennoch recht unflexibel sind. Ich hatte es erwogen, etwas mit AAVAA zu machen. Aber dann kriegst du einen Vertrag zugeschickt, der sämtliche Verwertungsrechte für etliche Jahre beansprucht und dir im Gegenzug die üblichen 8% anbietet. Ich hatte mich gerührt und gemeint: Ihr seid nicht Random House. Ich verstehe, dass ihr nicht lektoriert und in dem Falle ist es OK, da ich eine eigene Lektorin mitbringe (und bezahle), aber dann muss das der Vertrag reflektieren. Ihr könnt nicht 92% der Einnahmen beanspruchen, während Lektorat, Covergestaltung und Marketing bei mir geblieben sind. Da war allerdings kein Entgegenkommen seitens AAVAA, also flog der Vertrag in den Ofen.
Ich würde es verstehen, wenn sie sagen würden: Wir tragen keine Lektoratskosten, aber arbeiten nur mit Autoren zusammen, die (nachweislich) eigene Lektoren bezahlen. So wie es eben eine Menge Bands gibt, die ungeachtet des Labels sagen: Wir haben unseren eigenen Tontechniker, denn der versteht unseren Sound am besten. AAVAA würde dann immer noch einen Berg aus Manuskripten erhalten.
Der Vertrag war im Grunde nur der Kern der Dissonanz zwischen AAVAA und mir. Es gab da noch andere Details in unserer Korrespondenz, die recht verstörend waren. Aber das will ich hier wiederum nicht ausbreiten, da ich nun keine Mission verfolge, ihnen eins reinzuwürgen.
Verlage waren ganze Jahrhunderte (kapitalistische) Einrichtungen, die stets den Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und Kultur betrieben haben. Wenn sich nun das Interesse zu stark in Richtung Wirtschaftlichkeit (ich sage explizit nicht "Profit", denn mir ist schon klar, dass auch AAVAA nicht in Entenhausen lebt und in Geldtalern schwimmt) verlagert und der kulturellen Verantwortung keine Rechnung mehr trägt, ist es sicherlich ein langfristiger Bärendienst an allen Beteiligten. Schriftsteller brauchen eine strenge Aufsicht. Sich davon loszusagen und die Leute auf der eigenen Webseite zu ermuntern, statt einem Lektor wenigstens "Papyrus" zu verwenden (und das ist nichts gegen Papyrus - ich mag das Programm), ist nicht gerade ein Schritt in Richtung dieser Verantwortung. Wenn das publizierte Wort etwas bedeuten soll, müsste man damit eigentlich etwas liebevoller umgehen.
Und der Schwarze Peter landet dann ohnehin zumeist bei euch, denn es sind Plattformen wie
fantasybuch.de, wo all diese Bücher eintreffen und wo dann manch ein Beitrag nach 90 Minuten weggelegt wird, weil man feststellen muss, dass er unlesbar ist. Die Zeit gibt einem auch niemand wieder.
Wir sind es gewohnt, dass allerlei Pseudo-Autoren sich unentwegt am Lektorat vorbeimogeln wollen, aber wenn so ein Signal dann auch schon aus einem Verlag kommt, ist es in der Tat eine kulturelle Schieflage. Ich finde, dass es Schriftsteller ohnehin deutlich schwerer haben, zu belegen, dass sie richtige Künstler sind. Das Publikum sieht sich oft als eine Menschengruppe, die im Gegenteil zum Autor keine Zeit hatte, ein eigenes Buch zu schreiben. Wenn ein Musiker sich kurz eine Gitarre schnappt und darauf drei Minuten einen Flamenco spielt, sagt jeder: "Oh, dieser Künstler. Wie hat er das nur gelernt? Habt ihr gesehen, wie seine Finger auf dem Griffbrett getanzt haben?" Als Autor erlebt man aber auch schon mal, dass einem die Leute sagen: "Netter Roman. Ich wollte auch mal einen schreiben, bin aber noch nicht dazugekommen." Niemand würde durch eine Bildhauer-Ausstellung gehen und sagen: "Oh, Statuen. Muss ich auch mal probieren." Manchmal bin ich etwas neidisch, wenn ich es mit Zeichnern zu tun habe. Die machen eine Skizze auf einem DIN-A5-Papier, jeder schaut hin und denkt: "Oh, wow. Sowas werde ich nie können." Ich kann einen 800-Seiten-Roman schreiben und manch einer denkt sich: "Oh, da hatte jemand deutlich mehr Zeit als ich."
Es ist ja auch nachvollziehbar, weil fast jeder mit 5 oder 6 Jahren Lesen und Schreiben gelernt hatte. Aber meine Qualität besteht nicht darin, dass ich Wörter aneinanderreihen kann. Und das ist dann eben auch das Problem mit AAVAA. Denn es ist nicht auszuschließen, dass einige der Autoren vielleicht auch tatsächlich gut sind - eben unter einer Kruste aus schlechtem/ungeübtem Handwerkszeug. Eine Menge berühmter Leute waren schlechte Schreiberlinge. Schriftsteller sind eben keine PR-Texter. Im Grunde wird der Künstler einer Chance beraubt, zu wachsen, wenn der Verlag ihn inhaltlich nicht begleitet. Er oder sie weiß in dem Augenblick nicht, dass es gut wäre, härter angepackt zu werden und gezwungen zu werden, Texte umzuschreiben. Das ist eben die Aufgabe einer erfahreneren Autoritätsperson innerhalb eines Verlags. Ich kann diese Rolle zum beachtlichen Teil auf eine(n) freiberufliche(n) Lektor oder Lektorin übertragen. Wenn diese Person eine starke Arbeitsethik hat, dann packt sie das Manuskript hart an, ungeachtet dessen, dass in dieser neuen Welt unser Verhältnis nun plötzlich "Kunde" und "Auftragnehmer" ist und die Intuition gebietet, dass ich als "Kunde" nicht gegängelt werde.
Die wichtigsten zwei Lektionen, die einigen gut zu Gesicht stehen würden (und die man sich am besten einmal in der Woche vor einem Spiegel vorsagen sollte) lauten:
- a) Ich bin nicht Tolkien
b) Tante Wilma ist keine Lektorin
Das ist ein gutes Mantra. Musste ich auch auf die harte Art lernen.