Deine Begründung sieht auf dem ersten Blick sehr schlüssig aus, Du machst aber aus meiner Sicht einen entscheidenden Denkfehler: Bei Deinem Beispiel schnappt Leonidas sich Soldaten. Das sind definitiv Freiwillige, sie wurden Soldaten, um zu kämpfen, sie wurden Soldaten, weil sie diesen Beruf ergriffen, in dem Wissen, dass es genau zu dieser Situation kommen kann.theDude hat geschrieben:Auf jeden Fall!Fantasy erschlägt Literatur, Auric erschlägt die Erwartungen, die Fantasy an den Leser setzt, indem er den Jungtrupp als Opfer auf das Schlachtfeld führt, in dem Wissen, dass er sie als Opfer einsetzt und ihre Überlebenschance bei Null liegt. Handelt so ein Held?
Der grosse Unterschied liegt darin, dass Auric ausschliesslich Freiwillige "opferte" und sich mit einbezog. Als Beispiel kannst du Leonidas nehmen. Er schnappt sich ein paar Soldaten (nicht mal Freiwillige?) und lässt damit die Perser bei den Thermopylen bluten. Obwohl er weiss, wie aussichtslos sein Unterfangen ist, kämpft er, um den Rückzug und Neuaufstellung seiner Verbündeten zu decken. Er opfert sich und seinen Trupp für einen höheren Sieg. Dadurch wird er zu einem Mythos, zu einem Kriegshelden, von dem man bis heute in den Kinos hört.
Genauso macht es Auric. Er opfert seinen Jungtrupp und bringt sich selbst in Gefahr, um die Schlacht gegen eine Übermacht zu wenden. Genauso handelt ein Held.
Beim Jungtrupp von Auric hingegen handelt es sich um Kinder. Sie haben sich nie entschieden Soldaten zu werden, sondern sie werden durch die Gegebenheiten dazu gezwungen. Man kann Kindern die Entscheidung sich für eine solche Aktion freiwillig zu melden auch gar nicht abverlangen. Letztendlich manipuliert Auric sie. (Ich weiß natürlich gemeinerweise auch mehr als Du...)
Eben kein Gegenbeispiel. Genau betrachtet sind die Jungtruppen genau diese Sklaven. Sie wissen nur nicht, dass sie Sklaven sind. Das macht die Situation nicht heldenhafter.theDude hat geschrieben:Als Gegenbeispiel: Dschingis Khan, der unbewaffnete Sklaven vor seinem Trupp hertreiben lässt, damit diese gegnerische Pfeile fangen, während er sicher hinten bei seinen Haupttruppen steht. So handelt kein Held.
Vater und Mutter sind beide schwach und überspitzt charakterisiert. Sie existieren nicht wirklich als eigenständige Personen, weil sie für etwas anderes stehen. Die Mutter ist tatsächlich noch schwächer als der Vater charakterisiert, ich glaube, sie erhält nicht einmal eine direkte Rede (müsste da jetzt nachlesen.) Dies ist auch notwendig, da die Mutter als eigenständiger Charakter glaubwürdiger und tragfähiger wäre als der Vater. Diese starke Unterscheidung in Gut/Böse ist ein klassisches Merkmal der Fantasy. Horus möchte sie nicht, deswegen vereint er gut und böse in Auric. Vater und Mutter sind die Ahnen von Auric, Ahnen eben auch im Sinne der Literatur, der Kombi Fantasy und Literatur. Hier gibt es natürlich ein paar Unschärfen, die durch die notwendige Konstruktion entstehen. So wird Horus sicherlich nicht das Fantasygenre grundsätzlich mit dem Vater als dumm, roh, versoffen charakterisieren wollen. Er will allerdings sicherlich das Fantasygerne, dass die Literatur entführt und vergewaltigt hat, dass völlig überzeichnet Gut und Böse darstellt, in dem Vater symbolisieren. Und so habe ich es auch verstanden.theDude hat geschrieben:Im Gegenteil, sein Vater ist der Gegenpol, die Schlange, welche Auric zum Bösen verleiten möchte.Der Besserwisser bei Auric ist sein Vater, dieser möchte seinen Weg vorzeichen: Werde der Sohn, den ich verdiene.
Mit Besserwisser meinte ich sowas wie Gandalf in Herr der Ringe. Frodo (das Prophezeiungskind) bewundert ihn und vertraut ihm. Gandalf weiss immer, was man machen muss, er ist quasi die Inkarnation des Guten. Oder von mir aus Brom in Eragon.
Am ehesten kommt für den Besserwisser mMn Aurics Mutter in Frage. Für eine klassische Fantasyrolle ist sie aber viel zu unbedeutend und zu schwach.
Aurics Vater ist die Inkarnation des Bösen. Man kann ihn mit Loki in gewissen nordischen Mythen vergleichen, der das Prophezeiungskind vom rechten Weg abbringen möchte. Oder mit dem Imperator in StarWars, der will, dass Luke sich der dunklen Seite anschliesst. Eine Auflehnung gegen solch eine Figur ist nichts aussergewöhnliches.
Auch böse Vaterfiguren sind in der Literatur, selbst in Fantasy, nix neues.
Er vereint 2 Wege in sich. Die der traditionellen Fantasy, die ihm der Vater und damit die Erwartung des Lesers auferlegt. Z.B. auf dem Schlachtfeld zu kämpfen und als Held wiederzukehren. Gleichzeitig den der Mutter, dies auf realistiische Weise zu tun und kein Blatt vor dem Mund zu nehmen, wenn er, wie die klassische Fantasy es immer wieder tut, Kinder auf das Schlachtfeld führt. Was naturgemäß dazu führen muss, dass diese abgeschlachtet werden. In dieser Szene wird er beiden Erwartungen gleichermassen gerecht.theDude hat geschrieben:Auric hat von Anfang an einen klaren Weg, dem er folgen möchte. Dieser Weg hat er von seiner Mutter mitbekommen (Kultur, kein Schlächter etc.). Manchmal kommt er von seinem Weg ab, aber in seinem inneren hält er daran fest, in seinem inneren bleibt er einer der "Guten".
Die klassische Fantasy ist blutgeil. Es reiht sich ein Schlachtfeld an das andere. Das Ninragon um einiges blutiger ist, liegt daran, dass Ninragon der klassischen Fantasy folgt, sie aber realistisch darstellt. Ein Schlachtfeld ist in der Realität viel blutiger, als in der klassischen Fantasy. Die klassische Fantasy ist in dieser Hinsicht gewaltverherrlichend, indem sie Schlachten schönt. Schlachten dienen dazu, Kinder als Helden zu gebären. Hier hingegen passiert auf Schlachtfeldern dass, was tatsächlich auf ihnen passiert: Menschen werden geschlachtet.theDude hat geschrieben:Was deine Interpretation mit dem Genrebruch angeht: Eigentlich stütz du alles auf die Aussage von Aurics Vater "Werde den Sohn, den ich verdiene". Ansonsten hat der Vater aber nichts mit klassischer Fantasy zu tun.
Aurics Vater ist extrem aufbrausend, blutgeil, so gut wie dauerbetrunken und eine extrem starke Persönlichkeit.
- "Aufbrausend" passt überhaupt nicht zu dem Fantasy, das ich kenne. Meistens bewegt man sich doch in einer hübschen, heilen Welt, die von irgendetwas bösem bedroht wird.
- "Blutgeil" Naja, Ninragon ist um einiges blutiger.
- "dauerbetrunken" Eine weitere Eigenschaft, die nicht in die heile Welt der herkömmlichen Fantasy passt.
Gerade weil Aurics Vater kaum eine Aussage macht, gewinnt die Aussage an Bedeutung. Zumal sie hervorgehoben wird und von Auric später wieder aufgegriffen wird. (Sie wird im Verlauf erneut aufgegriffen. Wie gesagt, ich habe einen Infovorsprung. Das ist natürlich gemein...) Damit hat sie eine zentrale Bedeutung.theDude hat geschrieben:Aurics Vater ist viel zu roh, um schlüssig mit Fantasy assoziiert werden zu können.
Ihn losgelöst von seinen Eigenschaften zu sehen und auf eine Aussage zu reduzieren finde ich unzulässig.
Ich hoffe, ich konnte Dir meinen Standpunkt verdeutlichen. Er wird aber auch mit dem Weiterlesen deutlicher werden.theDude hat geschrieben:Die einzige, für mich sinnige Parallele wäre: Auric bricht mit der Tradition, ebenso wie Ninragon mit Fantasy-Tradition bricht (fehlende Besserwisser, Sprache als Stilmittel, älteres Zielpublikum, ...).
Dass Auric die ganze Zeit über bereits von diesem Bruch weiss, kannst du vlt. mit einem inneren Gefühl des Autors in Verbindung bringen, der, obwohl er offiziell ein Fantasybuch schreiben wollte, von Anfang an wusste, dass es kein klassisches "Kuschel"-Fantasybuch wird.
Da muss ich erst mal drüber nachdenken...theDude hat geschrieben:Aja, zu Virri:
Für mich steht er simpel als Gegenpol zu Auric.
Auric hat nicht nur eine innere Abneigung gegen die gesamte Gewalt, sondern eine ganze Kultur, die dahinter steht. Seine Abneigung kommt nicht aus Instinkten/schwachen Gefühlen wie bei Virri, sondern eher aus einer fast schon akademischen Auseinandersetzung mit der Problematik (durch die Bücher und seine gebildete, kultivierte Mutter). Auric kommt zum Schluss, dass er seine Gefühle zumindest teilweise überwinden muss, um sein Ziel zu erreichen. Er muss zumindest ab und an jemanden abstechen. Sein Verstand triumphiert über seine Gefühle.
Virri fehlt diese logische Komponente, er gibt seinem Gefühl nach und zieht dadurch Aufmerksamkeit auf sich. Er wird gebrochen und wird dadurch zu dem, was Auric unbedingt vermeiden wollte.
Er personifiziert all die Dinge, die Auric in sich selbst bekämpft.
Eigentlich legitimiert Virri dadurch alle blutigen Handlungen, die Auric später ausführt. Schliesslich muss Auric sich anpassen, wenn er nicht wie Virri enden möchte.
Er gibt Auric die Möglichkeit, "blutig" zu handeln und trotzdem ein edler Held zu bleiben.