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Jay Lake

Die Räder des Lebens

  • Autor:Jay Lake
  • Titel: Die Räder des Lebens
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Paperback
  • Verlag:Bastei Lübbe (Bastei Verlag)
  • Datum:21 September 2012
  • Preis:14,99 EUR

 
»Die Räder des Lebens« von Jay Lake


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(2.5)

 
 
Paolina Barthes ist ein kleines Mädchen das über ungewöhnliche und mächtige Fähigkeiten verfügt. Fähigkeiten, mit denen sie die Grundfesten der Welt erschüttern kann und die sich beide Reiche des Nordens, das Britische Empire und das Chinesische Kaiserreich, sichern möchten. Dafür sind sie bereit über Leichen zu gehen.

Threadgill Angus al-Wazir ist ein Luftschiffer der vom englischen Premierminister mit einer wichtigen Aufgabe betraut wird. Er soll für die Sicherheit eines Bohrteams sorgen, welches versuchen soll einen Tunnel durch den Äquatorwall, der die Welt in die nördliche und die südliche Hemisphäre teilt, zu bohren. Die Expedition muss sich vor Ort einer erbitterten Gegenwehr seltsamer Kreaturen behaupten und droht zu scheitern.

Emily Childress ist eine Bibliothekarin und Mitglied einer Geheimgesellschaft, den avebianco. Sie soll einem höheren Zweck wegen geopfert werden; doch das Schiff mit dem sie zu ihrer Verhandlung reist wird von einem chinesischen U-Boot gekapert. Da sie von dem chinesischen Kapitän für jemand anderen gehalten wird, muss sie in deren Rolle schlüpfen um nicht, wie alle anderen an Bord ihres Schiffes, umgebracht zu werden. Dabei kommt sie einer Verschwörung des Chinesischen Kaiserreiches und einem zweiten Geheimbund, dem Schweigsamen Orden, auf die Spur.

Die Wege aller drei Protagonisten werden sich treffen, irgendwo und unter mysteriösen Umständen. Und dann wird sich das Schicksal der Welt entscheiden.

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Der Nachfolgeband von Die Räder der Welt knüpft zeitlich, aber nicht inhaltlich, an seinem Vorgänger an. Hethor selber, der Hauptcharakter des ersten Bandes, kommt nicht mehr im Buch vor. Dafür rücken zwei Charaktere des ersten Bandes, die dort nur eine kleine Nebenrolle gespielt haben, in den Mittelpunkt. Der Bootsmann und Luftschiffer al-Wazir, der Hethor einst aus dem Gefängnis befreite, und die Bibliothekarin Childress, die Hethor auf die Reise zu William of Ghent schickte.

Die Geschichte beginnt quasi unmittelbar nachdem Hethor, im ersten Band, seine Mission erfolgreich abgeschlossen hat. Al-Wazir, einer der letzten Überlebenden der Bassett, kommt auf Umwegen nach England und wird dort mit einer neuen Mission beauftragt. Childress selber ist immer noch Bibliothekarin und wird zu einer Art Gerichtsverhandlung abberufen in der sie verurteilt werden soll. Als sie Hethor einst nach William of Ghent schickte hat sie damit eine Reihe von Ereignissen angestoßen die den Tod zweier wichtiger Ordensmitglieder nach sich zog. Die Reise zu ihrer Verhandlung ist jedoch nur vorgeschoben, denn sie soll einem Mitglieder des Schweigsamen Ordens dazu dienen, sich unbemerkt mit hohen Mitgliedern des Chinesischen Kaiserreiches zu treffen. Denn das Ziel des Ordens und der Chinesen ist es, eine Goldene Brücke zu finden mit deren Hilfe man in die südliche Hemisphäre eindringen kann.

Der dritte und neue Charakter ist das Mädchen Paolina. Sie besitzt die Fähigkeit sich mit der Mechanik der Welt auseinandersetzen zu können und diese gezielt ihrem Willen anzupassen. Als sie den Jungen Clarence Davies kennen lernt, jenem Bootsjungen der im ersten Band aus der Bassett fiel, und er ihr ein Uhrwerk zeigt, erwacht in ihr der Wunsch nach England zu reisen. Jenem Land von dem sie der Meinung ist, dort würden mächtige Zauberer wohnen die sich nicht nur mit den Uhrwerken, sondern auch mit den Räderwerken der Welt beschäftigen und die sie in ihre Zauberkunst einweisen können.

Das klingt erst mal alles mächtig spannend und dramatisch. Dem ist aber leider nicht so. Hat der Autor Jay Lake für mich im ersten Band noch den Fehler gemacht sich die Ereignisse überschlagen zu lassen, auf jeder Seite ein neues Abenteuer, so verfällt er hier schon fast ins krasse Gegenteil. Spannung kommt nur sehr selten auf. Lake verliert sich bisweilen in theologische und geschichtliche Diskurse seiner Protagonisten untereinander. Immer abwechselnd, beginnend mit Paolina, über al-Wazir bis hin zu Childress und dann wieder von vorn. Ferner besteht ein Großteil des Buches aus einer Art Reisebericht, denn alle drei Charaktere haben eine lange Reise zurückzulegen, die dann auch sehr gründlich von Lake erzählt wird. Das wirkt auf Dauer sehr ermüdend. Auch das ganze Heckmeck seiner Geheimbünde untereinander, dem Schweigsamen Orden und den avebianco, ist irgendwie krude und unübersichtlich. Bisweilen scheint jeder Nebencharakter einem dieser Geheimbünde anzugehören. Es wimmelt von geheimen und offensichtlichen Erkennungszeichen und Grabenkriegen untereinander. Irgendwann hat man als Leser dann auch genug davon.

Die eigentlichen Geschichten sind ziellos und, ja ich würde schon fast sagen, überflüssig. Keine wird konsequent zu einem Ende geführt, sie verlieren sich und verlaufen im Sand. Am Ende des Buches stellt man sich dann unwillkürlich die Frage: Was sollte das jetzt alles.
Paolina möchte nach England um ihre Fähigkeiten zu erweitern und sich von den vermeintlichen Zauberern unterweisen zu lassen. Dafür nimmt sie einen langen und gefahrvollen Weg auf sich. Obwohl er gefahrvoll sein sollte, verliert sich Lake in einer schlichten und unspektakulären Erzählung. Immer dann wenn Probleme auftauchen benutzt Paolina ihr "magisches Uhrwerk" und alles wird gut. Nachdem sie es immerhin bis nach Straßburg geschafft hat muss sie feststellen, dass es keine Zauberer in England gibt, alle Männer schlecht sind und aus diesen Gründen möchte sie dann wieder zurück in ihre Heimat. Auch al-Wazir ergeht es nicht besser. Die Expedition an die Mauer, die er beschützen soll, entpuppt sich als Desaster und er macht sich wieder auf den Weg nach England zurück um Verstärkung zu holen. Was anschließend weiter mit der Expedition geschieht erfährt man nicht. Aus den Augen, aus dem Sinn. Bliebe noch die dritte Geschichte rund um Emily Childress. Sie übernimmt die Rolle ihrer Henkerin, Maske Poinsard, um nicht getötet zu werden. Ihre wahre Identität fliegt recht schnell auf, aber es kümmert keinen so wirklich. Die Suche nach der Goldenen Brücke zieht sich wie Kaugummi. Als dann endlich klar wird was genau die Brücke ist, der Begriff ist nämlich nicht wörtlich zu verstehen, entscheidet man sich diese Brücke nicht zu benutzen. Na klasse.

Das ganze Buch wirkt ziemlich unausgegoren auf mich. Es ist ein Mittelding zwischen Abenteuerroman, Verschwörungsgeschichte, Fantasy und Science Fiction - ohne das man genau sagen kann was es denn nun genau ist. Das muss letztendlich nicht schlecht sein, viele Bücher können so einen Genrespagat aufweisen und funktionieren hervorragend. Schubladendenken mag ich auch nicht. Jedoch kann man hier bereits erkennen, dass der Autor selbst nicht so richtig weiß in welche Richtung er die Geschichte führen möchte. Es fehlt der rote Faden, das Grundgerüst an dem der Rest, auch Genre übergreifend, festgemacht wird. Das Buch möchte alles sein, springt von Hinz nach Kunz und ist genau deshalb weder Fisch noch Fleisch.

Eine straffere Erzählweise und eine Kürzung um 100 bis 200 Seiten hätte ihm sicherlich gut getan. Lake selber ist eigentlich gar kein schlechter Erzähler, ich habe nur das Gefühl, er legt auf die falschen Dinge zu viel wert. Auch die Vermischung unserer bekannten Religion (Gott, Jesus) mit dem Uhrwerk-Universum finde ich ein bisschen unglücklich. Genauso wie die vielen Parallelen in der Entwicklung seiner Erde mit unserer tatsächlichen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Entwicklung einer Welt mit einem Äquatorwall, der die Erde in zwei Hälften trennt, genauso abläuft wie die von der Welt in der wir leben. Da muss es einfach Unterschiede geben. Unterschiede, die das Salz in der Suppe hätten sein können. Auch schade, dass Lake nicht auf die Fähigkeiten von Paolina näher eingeht. Woher kommen die? Genau wie bei Hethor sind sie einfach da und der Leser muss sich damit begnügen. Erklärt bekommt er es leider nicht. Aber, vielleicht passiert das ja in dem abschließenden dritten Band Die Räder der Zeit. Wer weiß.
 


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