Jennifer Benkau
Dark Canopy
Buchlisten
»Dark Canopy« von Jennifer Benkau
Zu Kriegszwecken, aber auch um rechtlose Arbeiter zu schaffen, die zum Beispiel Atommüll beseitigen und als Austauschlager für Körperteile fungieren, hat die Menschheit so lange experimentiert, bis sie die Percents erschuf. Diese Rasse hat Reptilienaugen, sieht besonders gut bei Dunkelheit, ist schnell und ausdauernd, verträgt allerdings keine Sonne. Darum sorgt seit dem Sieg der Percents im Dritten Weltkrieg die Maschine Dark Canopy dafür, dass der Himmel von grauen Wolken bedeckt wird. Seitdem leben die Menschen in Städten einigermaßen komfortabel unter der Kontrolle ihrer Geschöpfe oder unter erbärmlichen Bedingungen als Rebellenclans in den Wäldern. Das Leben ist hart, denn Nahrung ist knapp bemessen, moderne Technik kaum noch vorhanden. Den Rebellen droht ein Dasein als Sklave oder der Tod, wenn sie aufgespürt werden. Dass die Mutanten Menschenblut trinken und Frauen missbrauchen würden, derlei Gerüchte kursieren überall.
Einige junge Rebellen wie Joy und Matthial wollen sich mit der Gewaltherrschaft der Percents nicht abfinden. Doch dann wird Amber entführt und der Plan zu ihrer Befreiung geht fürchterlich schief: auf der Flucht gerät Joy in die Hände der Feinde. Von einem Percent namens Neél soll sie für das „Chivvy“ trainiert werden, um bei einem Rennen Menschen gegen Mutanten um ihre Freiheit und ihr Leben zu laufen. So grausam Joys neue Realität ist, merkt sie doch bald, dass die Percents nicht die Monster sind, für die sie sie immer gehalten hat.
„Dark Canopy“ ist eine Dystopie um Rassenkampf und Liebe, wo man sie am wenigsten erwartet.
Meinung
Im Vordergrund der Geschichte steht zunächst der Konflikt zweier verschiedener Rassen. Über Joy erfahren wir, wie schwierig das Leben im Clan ist, und wie die Menschen unter der Herrschaft der Mutanten und dem Mangel an Sonnenlicht leiden. Stets war mir beim Lesen das Grau des Himmels präsent; die Landschaft schien lebensfeindlich, das Leben Joys von Angst, Hass und Hoffnungslosigkeit geprägt.
Mit Joys Gefangennahme treten wir sehr bald auf die andere Seite – die zunächst genauso aussieht, wie man es erwartet: die Menschen werden nach ihrer Niederlage im Krieg grausam behandelt und führen ein Leben wie Sklaven. Joy muss täglich ein hartes Training absolvieren, sie verfügt über keinerlei Besitz oder Verfügungsgewalt über ihren Körper. Da sie eine starke Person ist, lehnt sie sich immer wieder auf, sinnt auf Flucht und schmiedet Pläne zu Ambers Befreiung, schnwankend zwischen Trotz und Einsicht in die Hoffnungslosigkeit ihres Bemühens. Je mehr sie mit Néel aneinandergerät, desto mehr gerät ihr ganzes Weltbild ins Wanken. Der anfänglichen Hass und die Vorurteile werden relativiert, je mehr sie über Neél erfährt: Er wandelt sich vom uniformen Vertreter seiner Rasse zu einem einzigartigen Wesen mit eigenen Ansichten und einem Namen. Haben sich auch beide Rassen gegenseitig viel Unrecht zugefügt, so haben sie doch mehr Gemeinsamkeiten, als sie denken. Der langsame Prozess der Annäherung ist überzeugend geschildert. Joy in ihrem Schwanken zwischen Verantwortungsgefühl und erwachender Liebe bleibt als Charakter größtenteils nachvollziehbar und komplex genug für eine 20-Jährige. Auch Neél wurde mir graduell sympathischer, je mehr ich über ihn erfuhr.
Für Matthial und die anderen Rebellen konnte ich dagegen wenig Mitgefühl aufbringen, dafür kannte ich sie viel zu wenig – eigentlich wollte ich sie auch kaum kennenlernen. Die vielen Unterbrechungen (denn als solche empfand ich die Kapitel über Matthial) haben mich nicht annähernd so gefesselt wie Joys Schicksal.
Positiv aufgefallen ist mir der einfühlsame und schnörkellose Schreibstil von Jennifer Benkau, der sehr gut zur eher einfach gehaltenen Geschichte passt. Sie scheint eine gute Balance zu finden zwischen Beschreibungen von Ereignissen, Gefühlen und Gedanken. Ich muss aber auch dazusagen, dass ich mir die Landschaft und Personen größtenteils nur undeutlich vorstellen konnte. So entstand bei mir der Eindruck, auf eine Schneelandschaft mit schemenhaften Figuren zu blicken, über der ein grauer Himmel schwebt.
Es gibt auch ein paar kleine Konstruktionsfehler: Warum sollte man Wesen zu Kriegszwecken heranzüchten, die kein Licht vertragen, wo Sonne so wichtig für das ganze Ökosystem der Erde ist? Und wenn man schon mal dabei ist, warum macht man sie nicht gleich gehorsam?
Über große Strecken war ich von der Handlung gefesselt, auch wenn mir die Geschichte vom Kampf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker stellenweise zu simpel und zu wenig detailreich war. Das Wissen um die Welt ist recht begrenzt und stagniert fast, nachdem Neéls Absichten aufgedeckt werden. Man erfährt wenig Neues, bis am Ende noch einmal richtig Spannung aufkommt und die Dinge sich fast überschlagen.
Leider lässt das Romanende den armen Leser völlig im Ungewissen, wie es mit seinen Lieblingsfiguren passieren wird. Da ist es ein Glück, dass mit „Dark Destiny“ die Fortsetzung bereits erhältlich ist.