Julie Leong
Die Wahrsagerin kleiner Schicksale
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»Die Wahrsagerin kleiner Schicksale« von Julie Leong
Nur begleitet von ihrem Maulesel Laohu, streift die junge Wahrsagerin Tao durch das Land . Sie sagt kleine Schicksale voraus, nichts Großes, nur Kleinigkeiten eben, die das Leben nicht weiter beeinflussen. Lange verweilt sie nicht an einem Ort, denn wenn sich die Vorhersagen bewahrheiten, wollen die Menschen mehr und mehr und mehr. Außerdem muss sie der Gilde ausweichen, die Tao als Seherin in ihre Reihen pressen wollen.
Auf der Flucht vor der Vergangenheit und auch der Zukunft streift Tao durch Eshtera. Bis sie durch Zufall - oder doch Schicksal - Gefährten findet, die ihren Weg begleiten. Und plötzlich lernt Tao, was Freundschaft, Familie und Beständigkeit bedeutet.
Das Cover zeigt Tao. Sie sitzt mit Fidelitus zu ihren Füßen auf den Stufen ihres Wagens, blickt ins Feuer und scheint gedanklich den Tag Revue passieren zu lassen. In weiter Entfernung sieht man ein in der Abenddämmerung erleuchtetes Dorf, beschienen von einem Sternenhimmel. Auf mich macht die Szene einen friedlichen und entspannten Eindruck. Ich finde das Bild sehr gut zum Inhalt gewählt, da es mich in eine ruhige Stimmung versetzt und gleichzeitig bereit macht, von Abenteuern zu träumen.
Julie Leong hat ein magisches Kleinod geschaffen . Mit ihrem ruhigen und bewegenden Schreibstil, hat sie schnell mein Herz und auch meine Phantasie erobert. Die Autorin schreibt nicht bildgewaltig, gewaltig ist für so einen zarten Roman einfach das falsche Wort, vielmehr schreibt sie magisch, so dass die Landschaft, die Orte und vor allem Tao mit ihrem Gefährt vor meinem inneren Auge zum Leben erwachten. Ich konnte sie nicht nur sehen, sondern auch begleiten. Ob das in den dunklen Dornenwäldern, im steinigen Gebirge oder einfach in einer Gaststätte war; stets nahm Tao mich mit. Ich genoss die Reise sehr und ließ mich gerne auf die Geschichte der Wahrsagerin und ihrer Gefährten ein.
Denn noch schöner und intensiver als die örtliche Umgebung und die Beschreibung Eshteras waren die Beschreibungen der Freundschaft der Menschen unter sich. Julie Leong schildert das Wachsen der Gefühle, der inneren Zugewandtheit und das Reifen der Charaktere sehr anschaulich, liebevoll und zärtlich. Aus jeder Zeile sprach die innige Verbundenheit der Gruppe, aber auch der Verbundenheit zwischen Autorin und ihren Protagonisten.
Besonders begeistert hat mich, dass ich bei der inneren Reifung der Personen dabei sein durfte. Als Bindeglied schien mir ursprünglich die Shinn-Wahrsagerin Tao. Doch nach und nach kristallisierte sich heraus, dass einer nicht ohne den anderen kann. Jeder ist bedeutend für den anderen und die Gruppendynamik scheint ein Selbstläufer; Da sie wie Magnete zueinander sind.
Tao sah als Kind den Tod ihres Vaters vorher und leidet seit dem unter den Folgen, die diese Vorhersage für sie bedeutet haben. Als Einzelgängerin, misstrauisch und ängstlich der Welt gegenüber, sucht sie einen Weg, mit dem Verlust und dem Schmerz umzugehen.
Mash, der Krieger. Mutig, selbstsicher und bärenstark steht er in allen Situationen wie ein Fels in der Brandung. Nichts kann ihn erschüttern; kein Kampf ist zu brutal, kein Gegner zu stark, keine Situation ausweglos. Und doch scheint er an dem Verlust seiner kleinen Tochter schier zu zerbrechen. Die Suche nach ihr ist sein einziger Lebensinhalt.
Silt, der Dieb mit der weichen Seite. Er begleitet seinen besten Freund. Nicht nur im Kampf, sondern auch auf der Suche nach dem Kind, das Mash die Welt bedeutet. Doch Silt möchte kein Dieb mehr sein, kann aus seiner Natur nur schwer ausbrechen.
Und schließlich die Bäckerin Kina. Ohne Selbstvertrauen, stets im Schatten, scheint es gerade für sie unheimlich wichtig, einen Schritt nach vorne zu gehen. Raus aus den Schatten, hin zum Leben.
Eine Truppe, die mein Herz im Sturm erobert hat! Denn Julie Leong hat ihnen Leben eingehaucht und lässt die vier Personen das Buch tragen. Ich hätte noch viel mehr von ihnen lesen können und ja, es würde mich nicht überraschen, falls die Autorin irgendwann die Reise der Gruppe erneut aufleben lassen würde.
Mein Fazit
Ein Buch über Freundschaft und alle Facetten, die dieses Wort und vor allem das Gefühl, mit sich bringt.