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2015-09-10

Asimov & Clarke sitzen in einem gelben Taxi...

Honoré de Balzac hat einmal gesagt: »Eine Geschichte muss nicht unbedingt wahr sein, solange sie nur gut ist.« Doch vermutlich hatte er es nie gesagt. Und genau darum geht es in dem nachfolgenden Bericht von Ales Pickar.

...
Obwohl über das genaue Jahr spekuliert wird (es könnte 1971 sein), haben sich die beiden Science-Fiction-Legenden Isaac Asimov und Arthur C. Clarke gemeinsam in einem New Yorker Taxi eingefunden und dort einen Pakt geschlossen, der fortan die »Asimov-Clark Treaty« (oder auch der »Vertrag von der Park Avenue«) genannt wird. Die mündliche Vereinbarung besagte, dass beide Autoren bis an ihr Lebensende in der Öffentlichkeit behaupten werden, der jeweils andere sei der bessere Science-Fiction-Schriftsteller. Diese Übereinkunft war der Anfang einer jahrelangen Neckerei, die beide Autoren enthusiastisch betrieben hatten.

1979 schrieb Asimov (der allzu gerne das letzte Wort hatte) in einem Essay, dass es ihm nicht schwerfalle, Clarke als den besser SciFi-Meister zu bezeichnen, da ihm Clarke schließlich in so vielen anderen Dingen überlegen sei - wie z.B. Glatzköpfigkeit, Alter und Hässlichkeit. Die feine englische Art überließ der Amerikaner lieber seinem britischen Kollegen. In diesem Sinne erinnerte Clarke seinen Bekanntenkreis gerne daran, dass sein Eintrag in der ehrwürdigen »Encyclopaedia Britannica« länger als der von Asimov sei.

Dieser »banter« (wie man im Englischen das leichtherzige Gezänk zwischen zwei Individuen bezeichnet) war die frühe Version eines »flame-war«, jedoch lange vor der Entstehung des Internets oder der Einführung von PCs. Bei dem augenzwinkernden Ping-Pong-Spiel aus freundschaftlichen Beleidigungen nutzten beide Autoren deshalb alle Medien, die ihnen damals - im prä-digitalen Mesozoikum - zur Verfügung gestanden haben: Festansprachen, Interviews, Buchvorworte und Radioauftritte.

Ein typischer Zwischenfall dieser Art fand am 14. Juni 1974 statt. An diesem Tag hielt Arthur C. Clarke in der Commonwealth Hall zu London eine Laudatio an den im Publikum sitzenden Freund und begann diese mit den Worten: »Es scheint, als hätte ich meine Wette verloren, Isaac. Es sind tatsächlich mehr als fünf Leute gekommen.«

Da Asimov Clarke in der reinen Anzahl an Publikationen überlegen war, versäumte es der Brite bei öffentlichen Anlässen nicht, den Gästen vorzurechnen, wie viele Hektar an wertvollem Waldbestand wegen Isaac Asimov bereits gerodet wurden.

Asimov war nicht darum verlegen, zurückzufeuern. So erzählte er allzu gerne eine Anekdote über Clarke, die mit einem Flugzeugabsturz in den 60ern zu tun hatte. Ungefähr die Hälfte der Passagiere hatte damals überlebt. Eine Zeitung interviewte einen der der Überlebenden, der erzählt hatte, er sei während der Bruchlandung nur deshalb ruhig geblieben, weil er in ein Buch von Arthur C. Clarke vertieft gewesen sei. Clarke hatte daraufhin »fünf Millionen Fotokopien des Zeitungsartikels angefertigt und sie jedem geschickt, den er kannte, oder von dem er jemals etwas gehört hatte«. Auf der Kopie an Asimov hatte sich eine Randbemerkung befunden, die besagte, dass der gute Mann den Zwischenfall vermutlich komplett durchgeschlafen hätte, wäre das Buch von Asimov gewesen.

Asimov sandte Clarke daraufhin einen Brief, mit den Worten: »Er las dein Buch, damit sich der Tod wie eine Erlösung anfühlen würde.«

Asimov und Clarke waren sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Asimov sah sich als ein notorisches Großstadtkind. Er liebte Partys, das Flirten mit Frauen und genoss das Bad in der Menge bei den damals neu aufkommenden Science-Fiction-Conventions. Doch zur selben Zeit scheute er Reisen, Fliegen und jegliche Extravaganz, die nach Abenteuer roch. Clarke dagegen hatte eine Schwäche für abgelegene Orte dieser Welt und liebte die abenteuerliche Abgeschiedenheit des Sporttauchens. Er hatte keine Scheue vor öffentlichen Auftritten, doch er war ein englischer Gentleman und galt als deutlich reservierter, als sein vorlauter Kollege.

Eine historische Begegnung hatten die beiden 1973 an Bord des britischen Kreuzers SS Camberra. Mit dem Veranstaltungsnamen »Voyage into Darkness« war das Schiff durch den Atlantik unterwegs, wo sich am 30. Juni vor der Küste Westafrikas (unter den Koordinaten LAT 18°N und LON 21°12’W) Mond und Sonne zu einer perfekten Sonnenfinsternis vereinen sollten. Das Bordmanifest las sich wie ein Pantheon aus namhaften Wissenschaftlern, Publizisten und sogar zwei NASA-Astronauten. Clarke hielt einen prophetischen Vortrag über die kommende Technologie im 21. Jahrhundert. Asimov sang (!).

Asimov, dem Schiffe und Wasser nicht geheuer waren, wunderte sich nicht wenig, als im Bordkino ausgerechnet der Schiffskatastrophen-Film »Die Höllenfahrt der Poseidon« (The Poseidon Adventure) gezeigt wurde. Wie es sich bald herausstellte, hatte Clarke hier seine Kontakte spielen lassen und dann mundwinkelzuckend seinen nervösen Kollegen beobachtet. Um Asimov ein wenig mehr zu nerven, hatte Clarke dafür gesorgt, dass am nächsten Tag »2001: Odyssee im Weltraum« gezeigt wurde, ein Film, zu dem der Brite sein legendäres Drehbuch beigesteuert hatte.

Vieles über die zwanzig Jahre dauernde »Flame-War« zwischen Asimov und Clarke ist im Nebel der Anekdoten und halbwahrer Erinnerungsfragmente jener getaucht, die dabeigewesen sind. Doch es ist ein witziges Beispiel dafür, wie gewiefte Autoren jenseits des etablierten Literaturbetriebs unentwegt Raum, Zeit und verfügbare Medien zu eigenen Marketing-Streichen einsetzen konnten. Etwas, das zwar im Zeitalter von Facebook und Twitter kinderleicht geworden ist - aber auch ein wenig langweilig.

In seiner Biographie »I, Asimov - A Memoir« konstatierte der berühmte Autor, dass es manchmal Frauen waren, die stirnrunzelnd Mühe hatten, zu verstehen, dass der Schlagabtausch stets in bester Freundschaft gemeint war. Denn wie sonst, als durch Seitenhiebe, können zwei Männer öffentlich ihre Zuneigung zueinander bekennen?

Und so sollte Isaac Asimov (wer sonst?!) das letzte Wort haben, mit einer finalen, subtilen Stichelei:

»Arthur und ich teilen ähnliche Ansichten über Science-Fiction, die Wissenschaften, gesellschaftliche Fragen und über Politik. Ich hatte noch nie Anlass, mit ihm zu einem solchen Thema im Widerspruch zu stehen, was ein Beleg für seinen klaren Verstand und seine Intelligenz ist.«


Bildnachweis / Copyright:

»Isaac Asimov on Throne« by Rowena Morrill - Licensed under GFDL via Wikimedia Commons
»Prins Claus en Arthur C Clarke (1982)« by Rob C. Croes / Anefo - Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
»Asimov vs Clarke« Retusche by Adrian Maleska - Fantasybuch.de


A.P.

Über den Autor:   Ales Pickar

Aleš Pickar arbeitet seit 1998 an seinem »Spiegel«-Universum und erschuf in bisher fünf Bänden die Saga um den Angelodämonischen Krieg. Der beim Vedra-Verlag erschienene Sammelband seiner ersten drei »Spiegel-Romane« (»Die dunkle Stadt«) wurde für den Deutschen Phantastikpreis 2011 nominiert. Aleš Pickar lebt gegenwärtig in Mittelfranken. Sein aktuelles Projekt heißt »Kalion«. Er freut sich über FB-Freundschaftsanfragen und twitterige Verknüpfungen.


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