Robert Kirkman The Walking Dead 2
The Walking Dead
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»The Walking Dead« (The Walking Dead 2) von Robert Kirkman
Lilly Caul gehört zu den wenigen Menschen, welche die „Zombiefizierung“ heil überstanden haben. Zusammen mit anderen Nichtinfizierten durchstreift sie die Gegend, immer auf der Suche nach einer Bleibe, nach Essen oder einem Quäntchen Hoffnung. Als es zu Komplikationen innerhalb der Gruppe kommt, teilt sich diese auf. Lilly macht sich mit vier Freunden auf die Reise Richtung Süden, in wärme Gefilde, denn der Winter steht bevor. Irgendwann, sie sind gerade dabei einen alten Kaufladen auszuräumen um sich mit dem Notwendigsten zu versorgen, treffen sie auf Martinez und seine Gruppe. Martinez schlägt ihnen vor, sie nach Woodbury zu begleiten. Dieser Ort sei eine kleine Enklave, in der eine große Gruppe von Nichtinfizierten dabei ist, sich ein neues, und vor allen Dingen sicheres, Zuhause zu schaffen. Lilly und ihre Freunde schließen sich Martinez an und gelangen nach Woodbury und ihrem Ortsvorsteher Philip Blake, genannt der Governor. In der Tat bietet der kleine Ort Sicherheit. Sicherheit vor dem Winter und den Zombies. Aber dennoch entwickeln sich die Dinge nicht so, wie Lilly es sich vorgestellt hat.
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Offiziell handelt es sich bei The walking dead 2 (Original: The walking dead – The road to Woodbury ) um die Fortsetzung des Buches mit gleichem Namen (gut, das ist jetzt nicht so die Überraschung und lässt sich anhand der 2 vermuten). Nichtsdestotrotz, ist es aber eine eher lose Fortsetzung. Um das Buch lesen zu können, muss man nicht zwangsläufig den Vorgänger kennen, denn die Protagonisten sind völlig neu und nicht aus Band 1 bekannt. Das ändert sich zwar, wenn Lilly und Co in Woodbury auftauchen und dort die Bekanntschaft von Philip Blake machen, aber da die Geschichte quasi selbsterklärend ist, löst sich das Problem von allein. Auch ist in diesem Fall nicht wirklich wichtig welche Vorgeschichte Blake hat, wer er in Wirklichkeit ist oder warum er seine tote "Tochter" als Zombie im Keller angekettet hat. All das ist nur sekundär und für die Geschichte nicht von großem Belang, denn der Hauptcharakter ist nun einmal Lilly.
Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich doch zwei Leute ein und dasselbe Thema angehen können. Vor ein paar Tagen las ich noch Aufstieg der Toten von Z. A. Recht und war von seiner sachlichen und recht unblutigen Erzählweise angetan. Das Duo Robert Kirkman und Jay Bonansinga wählt in der Hinsicht einen gänzlich anderen Weg, pflegt einen Stil, wie er zu dem von Recht, nicht gegensätzlicher sein könnte. Haarscharf und bis ins kleinste Detail wird jede Fressorgie der Zombies, jede noch so schreckliche Verstümmelung und jeder Treffer in den Körper der Untoten nicht nur erzählt, sondern schon regelrecht zelebriert. Walking dead 2 entpuppt sich für mich als das blutigstes Werk, das ich in den letzten Monaten gelesen habe. Und, paradoxerweise, weis mich auch diese Art der blutigen Erzählung zu fesseln und in ihren Bann zu ziehen. So wie es ausschaut, wohnt auch in mir ein kleines blutgieriges Monster, das nur darauf wartet rausgelassen zu werden. In der Hinsicht unterscheide ich mich nicht von dem überwiegenden Rest der Bewohner Woodburys – und das gibt mir ehrlich zu denken, denn das erschreckenste ist vermutlich die Gewissheit, das Kirkman / Bonansinga gar nicht mal so weit von der Wirklichkeit entfernt liegen.
Die Atmosphäre die Kirkman in seinem Buch aufbaut ist unheilschwanger, düster und hoffnungslos. Warum sich die letzten Überlebenden nicht einfach eine Kugel durch den Kopf jagen und ihrem Dahinvegetieren ein Ende bereiten, bleibt für mich die große Frage. Natürlich will man leben und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber welche Hoffnung soll das denn bitteschön sein? Die Hoffnung auch morgen nicht als Zombiefutter zu enden oder doch noch etwas zu finden das man essen kann? Die Freude aufs lange Wochenende, die Ferien oder auf das nächste Spiel der Lieblingsmannschaft kann es ja nicht sein. Wem will man hier noch etwas vormachen? Der Drops ist gelutscht, der letzte macht’s Licht aus.
Mit der Schilderung ihrer Protagonisten ist den Autoren meines Erachtens nicht so der große Wurf gelungen. Diese waren im ersten Band wesentlich besser, greifbarer und authentischer. Lilly entpuppt sich als immerwiederkehrende Heulsuse, mit sich und ihrer Angst vor allem möglichen kämpfend. Über ihre Beziehung zu Josh Hamilton ist sie sich selber nicht im klaren, mal so mal so. Auf die Dauer wirkt das nervend. Auch der Rest von Lillys Gruppe ist irgendwie gewöhnungsbedürftig. Ein Säufer, ein Kiffer, ein Flittchen und der muskelbepackte Riese. Wie es ausgerechnet diese Leute geschafft haben zu überleben, bleibt mir ein Rätsel. Meines Erachtens begehen hier die Autoren den Fehler, immer und immer wieder auf die Schwächen der Personen hinzuweisen. Irgendwann möchte man dann als Leser am liebsten sagen: „Ja, ich habe es begriffen, du musst er mir nicht noch zum vierten und fünften Male erzählen.“ Charaktere werden nicht zwangsläufig dadurch komplexer oder tiefgründiger indem man alles mögliche über sie erzählt und ellenlang ausschmückt. Das kann im Extremfall sogar den gegenteiligen Effekt hervorrufen, wenn der Leser sich dadurch zum Beispiel eher genervt fühlt (wie es mir bei Lilly passiert ist). „Richtiger“ hätte es sich für mich angefühlt, wenn die Autoren Lillys Schwäche kurz und bündig auf den Punkt gebracht hätten, statt immer wieder darauf herumzureiten.
Der einzige Charakter der mich überzeugt hat, ist ausgerechnet der Antagonist Blake. Sein Wahnsinn ist greifbar, ebenso wie seine Verzweiflung. Er ist ein Mann der anpackt und sich nicht mit halbgaren Plänen abgibt. Im Gegensatz zu Lilly. Ihr Plan, zusammen mit Martinez Blake abzusetzen, ist lächerlich und unausgegoren. Was sich Kirkman / Bonansinga da zurechtgeschrieben haben ist peinlich. So dumm kann sich vielleicht Lilly anstellen, aber nicht Martinez. Das ganze wirkt wie mit der heißen Nadel gestrickt und ist auch mein einziger wirklicher Kritikpunkt an dem Buch.
Ebenfalls recht gewöhnungsbedürftig ist die Gegenwartsform in der die Geschichte geschrieben ist. Das ist zwar nicht selten, aber halt auch noch nicht so häufig, als das ich mich schon daran gewöhnt hätte. In der Hinsicht bevorzuge ich immer noch die Vergangenheitsform. Da sich die Geschichte im weiteren Verlauf jedoch als wahre Achterbahnfahrt entpuppt und mich als Leser richtiggehend in ihren Bann gezogen hat, fällt die Gegenwartsform für mich (glücklicherweise) nicht mehr weiter ins Gewicht. Was bleibt, ist nicht nur ein positives Lesevergnügen, sondern auch ein verdammt spannendes Buch, auf dessen Fortsetzung ich mich bereits jetzt schon freue und das ich jedem Interessierten nur wärmstens empfehlen kann.